Die französische Firma Frémeaux & Associés hat bereits einige Doppel-CDs unter einem bestimmten Motto veröffentlicht. Die vorliegende Ausgabe ist dem Saxophon im klassischen Jazz vorbehalten. Natürlich endete der bereits in der Mitte der vierziger Jahre. Aber er wurde auch noch danach von diversen Gruppen mit Saxophonisten gespielt, die ihm treu geblieben waren. Das vorab zu der etwas irreführenden Zeitangabe. Die erste CD beschränkt sich auf die stilbildenden Saxophonisten. Der erste ist Sopransaxophonist Sidney Bechet, der aber überwiegend seinen Einfluss im traditionellen Jazz hinterlassen hat. Sein starkes Vibrato ist zusammen mit seinem kräftigen Ton in späterer Zeit manieriert geworden. In der Swingzeit hat er jedoch relativ wenig Einfluss auf die Entwicklung gehabt. Anfangs war das Saxophon sowieso mehr ein Novelty-Instrument, dem man nicht allzu viel Ausdrucksstärke zutraute. Das änderte sich erst mit dem Tenorsaxophonisten Coleman Hawkins, der das Instrument zu einem einflussreichen und bedeutenden Part in den Swing-Orchestern und –Combos machte. Sein legatoreiches Spiel in langen Melodiebögen und sein voluminöser Sound beeinflussten nicht nur die Kollegen in der Swingzeit. Auch heute noch erkennt man immer wieder seinen Einfluss bei Musikern, die dem modernen Jazz zugehören und sogar manch ein Free-Jazzer greift auf seine Tonfülle zurück (etwa der Finne Juhani Aaltonen). Unter den Altsaxophonisten waren es vor allem Johnny Hodges, der mit seinem warmen Spiel uns seiner Melodik viele Musiker beeinflusste, und Benny Carter, dessen Leichtigkeit viele Nachahmer fand. Der Baritonsaxophonist Harry Carney, wie Hodges dem Ellington-Orchester angehörend, gehörte ebenfalls zu den einflussreichen Saxophonisten der Swingjahre. Diese fünf Künstler sind mit beeindruckenden Beispielen auf dieser CD vertreten, wobei der Produzent leider auf Hawkins´ Meisterwerk „Body and Soul“ verzichtet hat. Grund genug sich mit dieser Nummer zu beschäftigen. Überhaupt kann diese CD natürlich keinen vollständigen Überblick über das Werk der einzelnen Künstler geben. Das trifft im gleichen Maße auf die zweite CD zu. Auf ihr sind die Musiker vertreten, die ihrem Vorbild folgten und dabei auch etwas stilistisch einen eigenen Weg einschlugen. Welche Bedeutung dabei Hawkins hatte, zeigt, dass hier allein bei den Tenorsaxophonisten Künstler vertreten sind wie Chu Berry, Illinois Jacquet, Buddy Tate, Don Byas und Ben Webster, der wohl nach Hawkins der wichtigste Saxophonist dieser Ära war. Ähnliches trifft auf die Altsaxophonisten zu. Bei ihnen, wie auch bei den Tenorsaxophonisten, sind hier jedoch einige Beispiele zu hören, die eigentlich schon in den Bereich des Rhythm & Blues gehören. Zwei Musiker möchte ich jedoch zum Schluss noch nennen. Da ist zum einen der Tenorist Lester Young. Er war der einzige, der bereits in den dreißiger Jahren einen anderen Weg verfolgte als Hawkins. Sein Spiel war kühler im Ton. Er wollte sich deutlich von Hawkins unterscheiden. Da sein großer Einfluss sich jedoch erst mit dem neuen Jazz, dem Bebop, durchsetzte, ist er hier nicht weiter vertreten. Das gilt auch für den Altsaxophonisten Charlie Parker, einem der Väter des Bebop. Das hier vertretene Beispiel zeigt ihn zwar mit einer Swing-Combo, aber bereits mit einer Reihe von Merkmalen, die zum Kennzeichen der neuen Entwicklung gehören sollten. Diese CDs, zu denen auch ein ausführliches Begleitheft in Französisch und Englisch gehört, sollte Anregung geben, sich mehr mit dem einen oder anderen dieser Musiker zu beschäftigen. Sie erfüllen diesen Zweck voll und ganz.
Par Gerhard CONRAD – Rohrblatt
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